Verschleudert der Kanton Bern mit freihändigen IT-Vergaben Millionen?

Als ich vergangenen Montag einen Blick in das Informationssystem über das öffentliche Beschaffungswesen (simap) warf, hat es mir fast die Sprache verschlagen. Der Kanton Bern vergibt der kantonseigenen Bedag AG ohne Ausschreibung Aufträge im Umfang von 88 Millionen Franken für den Betrieb von ICT-Anwendungen.

Private Unternehmen werden von den Vergaben ausgeschlossen

Rechtlich mag dies zulässig sein. Aus wettbewerbspolitischer Sicht und mit Blick auf die kantonalen Finanzen sind freihändige Vergaben in einem solchen Umfang aber höchst problematisch. Noch problematischer wird es, wenn sie an ein Unternehmen gehen, das dem Kanton Bern gehört und ganz direkt private KMU konkurrenziert.

Das alles ist aber leider nicht neu, solche Freihänder haben im Kanton Bern fast schon Tradition. Neu ist aber der Preis dafür. Für die Jahre 2016 und 2017 kostet der gleiche (ebenfalls freihändig vergebene) Auftrag noch 74 Millionen Franken. Die Kosten stiegen innert 2 Jahre also um 14 Millionen Franken resp. rund 20 Prozent.*

Sparmassnahmen werden zu Makulatur

Das wirft Fragen auf. Erst recht, weil im vergangenen Jahr aufgezeigt wurde, dass bei Aufträgen des Kantons an die Bedag erwiesenermassen Luft drin ist. So konnte der Regierungsrat im Rahmen des Entlastungspakets 2018 jährlich wiederkehrend 1.4 Millionen Franken einsparen. Dies mit folgender Begründung: „Durch Preisverhandlungen mit dem Lieferanten Bedag können die Kosten für den Betrieb des Rechenzentrums (RZ) reduziert werden.“

Es ist folglich davon auszugehen, dass die Bedag auch bei diesem Auftrag einen überhöhten (Monopol-) Preis verlangen konnte. Die Sparmassnahmen des letzten Jahres werden damit wohl Makulatur oder sogar ins Gegenteil verdreht.

Die Bedag ist ein enormes Klumpenrisiko für den Kanton Bern

Bemerkenswert ist schliesslich die Begründung des Kantons für die freihändigen Vergabe. Da steht unter anderem: „Überdies wird der Regierungsrat im Jahr 2018 in Umsetzung des Postulats gemäss der Motion 028-2016 über eine neue Eigentümerstrategie für Bedag Informatik AG entscheiden. (…) Selbst wenn eine öffentliche Ausschreibung der Rechenzentrumsbetriebsaufträge des Kantons unter Inkaufnahme der oben genannten Risiken möglich wäre, läge es daher im überwiegenden öffentlichen Interesse des Kantons, diesen politischen Entscheid nicht durch eine Ausschreibung zu präjudizieren. Sollte Bedag nämlich wesentliche Teile der Aufträge verlieren, könnte dies das wirtschaftliche Überleben des kantonseigenen Unternehmens gefährden (…) Weil die Umsetzung einer neuen Eigentümerstrategie bis mindestens Ende 2019 dauern wird, ist, wie bereits letztmals, die Vergabe der vorliegenden Aufträge für zwei Jahre angemessen.“

Mit anderen Worten: Ohne Aufträge des Kantons geht die Bedag wohl Pleite. Von Nachhaltigkeit keine Spur. Diese Beteiligung ist vielmehr ein gewaltiges Klumpenrisiko für den Kanton Bern.

Die Bedag gehört verkauft

Ich bleibe dabei. Die Bedag AG gehört verkauft. Genau das verlangt ein überwiesenes Postulat von Patric Bhend (SP) und mir. Leider zweifle ich etwas daran, dass der Regierungsrat diesen Auftrag noch unbefangen prüfen kann. Ich habe heute eine entsprechende Interpellation eingereicht.

Heute hat auch Der Bund darüber berichtet.

* Gemäss Aussage des Kantons gegenüber der Zeitung Bund, sei die publizierte Zahl falsch. Der gesamte Auftrag koste demnach “nur” 79 Millionen. Was aber immer noch Mehrkosten von 5 Millionen Franken bedeutet. 

2 Gedanken zu „Verschleudert der Kanton Bern mit freihändigen IT-Vergaben Millionen?

  1. Peter Marthaler Antworten

    Und da kann man ja gleich auch noch das freihändige Verfahren der Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern über die elektronische Bearbeitung von Betreuungsgutscheinen und Tagesschulanmeldungen der Gemeinden des Kantons Bern, wo Sie ja sehr gute Kenntnisse in der Stadt haben, nehmen. 1.9 Mio im freihändigen Verfahren….. Söi häfeli, sö deckeli? 😉

    • Michael Köpfli Autor des BeitragsAntworten

      Sehr geehrter Herr Marthaler, ich teile Ihre Kritik. Auch wenn ich eine elektronische Bearbeitung von Betreuungsgutscheinen und Tagesschulanmeldungen sehr wichtig finde und sich das System in der Stadt Bern bewährt hat, bin ich natürlich auch hier für eine saubere Ausschreibung.

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